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Ihr wollt erfolgreich sein? Dann hört auf Seneca!


In seiner Schrift „Von der Seelenruhe“ beantwortet der römische Philosoph Seneca (4-65 n Chr) einen fiktiven Brief seines Freundes Annaeus Sereneus, Offizier in der Leibwache von Kaiser Nero. Sereneus hegt innere Zweifel über den Sinn seines Tuns. Seneca’s ausführliche Antwort beinhaltet zahlreiche Ratschläge und Gedankenanstösse, die auch 2000 Jahre später, in einer völlig neuen Realität, nichts an Aktualität verloren haben.

Folgend beschränke ich mich auf fünf Lehren aus der Schrift „Von der Seelenruhe“, welche sich vor allem für jene unter uns eignen, die sich einer neuen Herausforderung stellen möchten, sei es, sich selbständig zu machen, eine neue Stelle anzunehmen, eine Familie zu gründen, auszuwandern, eine neue Ausbildung zu beginnen, einen Marathon zu laufen, ein neues Instrument zu lernen, fitter zu werden, abzunehmen oder ähnliches. Es sind Lehren, die sich an Leute richten, die ihr Leben verbessern wollen.

Nun gibt es aber ein fundamentales Problem: Einerseits erhoffen wir uns durch die Bewältigung einer Herausforderung eine gesteigerte Zufriedenheit, andererseits birgt die Nicht-Bewältigung einer Herausforderung ein grosses Frustrationspotential.

Da es uns definitiv nicht glücklich macht, wenn wir jeder Herausforderung aus dem Weg gehen, müssen wir uns unsere Herausforderungen bewusst und überlegt aussuchen. Hier helfen folgende Überlegungen des Philosophen Seneca:

1. Sich selber kennen

Als erstes, so rät Seneca, sollten wir uns selber prüfen. Zu Recht, denn wie kann ich mich einer neuen Herausforderung stellen, wenn ich mein eigenes Potential nicht einigermassen realistisch einzuschätzen weiss?

„Vor allem ist es nötig“, so der Philosoph, „unsere eigenen Kräfte genau abzuschätzen; denn gewöhnlich überschätzen wir unsere Kraft“. Es bringt nichts, wenn ich das Gefühl habe, dass ich es schaffen werde einen Marathon innerhalb der nächsten zehn Wochen in unter drei Stunden zu laufen, wenn ich heute gerademal zehn Kilometer in einer Stunde schaffe. Konkret bedeutet dies, ich muss eine realistische Standortbestimmung vornehmen, ich muss mich in Selbstreflexion üben, mich fragen wo sind meine Talente, wo meine Vorlieben, meine Stärken und Schwächen.

Bei den Stärken und Schwächen geht es vor allem auch darum, dass man sich den Spiegel vorhält und die eigene Persönlichkeit analysiert. Bin ich geduldig oder nicht, bin ich willensstark, beharrlich, werde ich rasch wütend, bin ich eher extrovertiert oder doch eher introvertiert, bin ich kreativ, bin ich detailtreu etc. All diese Fragen muss ich mir stellen und auch ehrlich beantworten. Nur wenn ich dies tue, erhalte ich ein einigermassen realistisches Bild über mein Potential.

Dies gilt übrigens auch bei der Führung. Wie will ich mit meinen Mitarbeitern ein Ziel erreichen, wenn ich deren Potential, deren Fähigkeiten, Stärken und Schwächen nicht kenne? (Siehe dazu meinen Artikel: "Kenne Deine Mitarbeiter")

2. Sich auf die Stärken konzentrieren

Nachdem ich mich selber analysiert habe und weiss wo meine Stärken und Schwächen sind, rät Seneca: „Du musst dich dem zuwenden, wohin die Eigenart deiner Begabung dich zieht.“ Statt zu versuchen die eigenen Schwächen auszumerzen, sollten wir eigentlich mehr Energie darauf verwenden, unsere Stärken zu verbessern. Wenn wir uns unseren Schwächen zuwenden, dann werden wir mit viel Aufwand allenfalls mittelmässig, arbeiten wir hingegen an unseren Stärken, dann können wir Exzellenz erreichen.

Die Erfolgsaussicht auf das Bewältigen einer Herausforderung ist viel grösser und realistischer, wenn ich mich einer Herausforderung stelle, die zu meinem Stärkenprofil passt. Wenn ich eine eher schüchterne Person bin, die grösste Mühe damit hat, öffentlich aufzutreten, dann ist es wenig ratsam, wenn ich mich als Parlamentarier versuchen will. Genauso ungeschickt wäre es, wenn sich eine kreative, aber sehr chaotische Person um das Amt eines Finanzchefs irgendeiner Organisation bemühen würde.

Oftmals lassen wir uns von dem vermeintlichen Glanz der Funktion oder des Titels blenden und ignorieren die Tatsache, dass diese Funktion nicht im Geringsten mit unseren Stärken und Schwächen korrespondiert. Dies führt zu Überforderung und somit zu Frustration. Seneca schreibt dazu: „Denn immer muss der Handelnde mehr Kraft haben als das Behandelte, die Last, die grösser ist als die Kraft des Tragenden, muss uns notwendig zu Boden drücken.“ Das wollen wir definitiv nicht. Wir wollen die Herausforderung bewältigen, die Last stemmen und nicht von ihr zu Boden gedrückt werden. Deshalb, so erklärt der römische Philosoph, sollte man an jene Wagnisse herangehen, von welchen wir mindestens glauben, dass wir in der Lage sind, diese zu Ende zu führen. „An diejenigen muss man Hand anlegen, deren Abschluss man erreichen oder wenigstens erhoffen kann“, so Seneca.

Wenn wir also glauben, zu wissen zu was wir im Stande sind, dann können wir uns entsprechende Ziele setzen. Ziele sollten hoch aber immer erreichbar sein. „Wir dürfen nicht unnütze Ziele verfolgen und dürfen unsere Bemühungen nicht nutzlos verschwenden; das heisst: wir dürfen unsere Wünsche (...) nicht auf Dinge richten, die für uns unerreichbar sind.“

3. Rückschläge in Kauf nehmen

Wenn wir uns ein Ziel gesetzt haben, uns an eine Herausforderung herangewagt haben, dann dürfen wir nicht glauben, dass der Weg bis zum Ziel geschmeidig und ohne jegliche Probleme verlaufen wird. Seneca schreibt dazu: „Lass dir gesagt sein, dass jede Lage dem Wechsel preisgegeben ist, und dass, was irgendeinen trifft, auch dich treffen kann.“ Jede erfolgreiche Person hat auf ihrem Weg an die Spitze mehrere, zum Teil heftige Rückschläge erlitten, auch uns wird es diesbezüglich nicht bessergehen. „Begegnen wir den Schwierigkeiten mit kühlem Verstande: auch das Harte kann erweicht und das Enge erweitert und die Last minder drückend gemacht werden, wenn man sich nur auf die Kunst des Tragens versteht“, so Seneca.

Für uns bedeutet dies, dass wir bei sich präsentierenden Schwierigkeiten nicht die Flinte ins Korn werfen, sondern innehalten und eine Lagebeurteilung machen. Statt sich zu enervieren, gilt es zu reflektieren. Denn auch Situationen, die auf den ersten Blick verheerend erscheinen, bergen nicht selten auch Chancen. Aus diesem Grund müssen wir unter allen Umständen verhindern, dass wir die emotionale Kontrolle über uns selber verlieren. Wenn wir nämlich mit übertriebenem Ärger, blinder Wut oder lähmender Trauer reagieren, werden die möglichen Chancen uns verborgen bleiben. „Die Seele“, so Seneca „darf Verluste nicht zu schwer empfinden und muss auch das Widerwärtige so viel wie möglich zum Besten deuten“.

4. Fordern aber nicht überfordern

Natürlich müssen wir unsere hohen Ziele beharrlich und diszipliniert verfolgen, wenn wir diese auch erreichen wollen. Dennoch müssen wir aufpassen, dass wir uns auf dem Weg zum Ziel nicht verausgaben, nicht ausbrennen oder erschöpft zusammenbrechen. Dies gilt sowohl bei körperlicher, wie auch bei psychischer, mentaler, geistiger oder emotionaler Anstrengung. „Wie man fruchtbare Äcker schonend behandeln muss, so auch den Geist: unausgesetzte Anstrengung wird seinen Schwung brechen, gönnt man ihm einige Erholung und Ausspannung, dann wird er wieder zu Kräften kommen; beständige Anstrengung hat eine gewisse Abstumpfung und Mattigkeit zur Folge“, ist Seneca überzeugt.

Seneca rät deshalb, dass hart arbeitende Menschen sich auch genügend Zeit für Erholung, Musse, Genuss und Geselligkeit nehmen: „Ferner darf man den Geist nicht in unausgesetzt gleichmässiger Anspannung halten, sondern muss ihm auch Erheiterung schaffen.“ Seneca verweist dabei auf die griechischen Philosophen Cato und Sokrates, welche sich nicht schämten zu spielen, zu tanzen oder sich ab und zu ein Glas Wein zu gönnen.

Natürlich betont Seneca auch bei der Musse das vernünftige Mass. Genau wie er vor übermässiger Fleissigkeit warnt, so warnt er auch vor masslosem Feiern, Spielen, Trinken und Faulenzen. Es scheint als ob Seneca bereits vor 2000 Jahren erkannt hat, was heute unter dem Begriff „Work-Life-Balance“ als Modewort in aller Munde ist.

5. Sich selber bleiben

Auch wenn wir unsere Ziele erreichen sollten, so ist dies noch lange kein Garant dafür, dass wir zufriedener sind. Es sind nämlich nicht die ehrenwerten Titel, die prestigeträchtigen Funktionen, die gutbezahlten Posten oder die machterfüllten Mandate, welche uns zu glücklichen Menschen machen. „Die Zahl derer ist nicht gering, die ein Leben führen voller Verstellungen und auf den prunkenden Schein berechnet“, stellt Seneca fest. Für Menschen, die Funktionen innehalten, die nicht zu ihrer Persönlichkeit passen, wird die Ausübung dieser Rolle zur Qual.

Bevor wir uns also durch vermeintlichen Ruhm, einen grossen Lohn oder das glanzvolle Prestige dazu verleiten lassen eine bestimmte Funktion anzustreben, sollten wir uns im Klaren darüber sein, was die damit verbundenen Konsequenzen sind. „So ist es doch kein angenehmes und sorgenfreies Leben, wenn man immer eine bestimmte Maske trägt“, schreibt Seneca. Der römische Philosoph rät also zu Authentizität. Auch dies ist ein Thema, welches heute aktueller ist denn je.

Zum Schluss noch ein kleiner Ratschlag von mir: Besorgt Euch Seneca's Buch "Von der Seelenruhe / Vom glücklichen Leben". Für weniger als zehn Franken bekommt Ihr eine Vielzahl wertvoller Gedankenanstösse und Ratschläge. Geld kann man definitiv dümmer ausgeben!

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