Beleidigt? Dein Problem! Warum Du nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen solltest!
Wir leben in einer Zeit der Überempfindlichkeit – überall fühlen sich Menschen beleidigt, und das oft schon bei Kleinigkeiten. Ich frage mich: Wo ist unsere stoische Gelassenheit geblieben? In dieser Folge spreche ich über die Kunst, souverän mit Beleidigungen umzugehen und warum Narzissmus und Egozentrik ein echtes Problem unserer Zeit sind – gerade auch bei Politikern.
In den 70er Jahren gab es einen kleinen Jungen mit extrem schielenden Augen. So stark, dass niemand genau wusste, wohin er eigentlich blickte. Die anderen Kinder machten sich ständig über ihn lustig, nannten ihn „Schielepeter“ und andere wenig schmeichelhafte Namen. Doch dieser Junge liess sich davon nicht beirren. Als ihn eine Lehrerin fragte, ob ihn die Hänseleien nicht verletzten, antwortete er gelassen: „Wieso denn? Ich schiele ja tatsächlich.“ Die Lehrerin war verblüfft: „Aber das ist doch beleidigend!“ Doch der Junge erwiderte nur: „Warum? Es entspricht doch der Wahrheit.“
Jahre später, nach drei Operationen, ist das Schielen weniger auffällig, aber immer noch sichtbar – besonders, wenn ich müde bin. Damals kannte ich die stoische Philosophie noch nicht, aber mein Umgang mit Beleidigungen war bereits von stoischer Gelassenheit geprägt. Epiktet sagte einmal: „Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Meinungen über die Dinge.“ Diese Weisheit begleitet mich bis heute.
Heutzutage scheint diese Gelassenheit verloren gegangen zu sein. Menschen sind unglaublich schnell beleidigt. Man darf kaum noch etwas sagen, ohne jemanden zu kränken. Nehmen wir zum Beispiel die deutschen Minister Robert Habeck und Annalena Baerbock. Bekanntlich reagieren sie auf tatsächliche oder gefühlte Beleidigungen häufig mit Strafanzeigen. Laut Berichten haben sie bisher Hunderte solcher Anzeigen gestellt – bei Habeck über 800, bei Baerbock über 500. Dieser Bestrafungs-Furor ist einzigartig unter Deutschlands aktuellen Politikern und erinnert eher an das Verhalten von Autokraten als an das von Volksvertretern.
Ein pensionierter Berufssoldat veröffentlichte eine harmlose Meme, in der er Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnete – eine Wortspielerei mit der Marke Schwarzkopf. Die Reaktion? Eine Hausdurchsuchung bei einem Mann, der eine Tochter mit Trisomie 21 hat. All das, weil ein Minister sich beleidigt fühlte. Mein bester Freund, einst Berufsoffizier und jetzt bei der Polizei, sagte dazu treffend: „Wer den Kopf aus dem Schützengraben hält, muss damit rechnen, beschossen zu werden.“
Doch dieses Phänomen ist nicht auf Deutschland beschränkt. Auch in der Schweiz werden wegen Beschimpfungen fleissig Anzeigen erstattet. Laut der "20 Minuten" gab es über 12.000 Meldungen pro Jahr – das sind 34 Anzeigen pro Tag und eine Zunahme von 64 Prozent innerhalb von zehn Jahren. Die Schweizer, einst bekannt für ihre stoische Ruhe, werden langsam zu Mimosen.
Es zeigt sich, dass jeder, der sich ständig beleidigt fühlt, sich selbst als das Zentrum des Weltgeschehens sieht. Ist das nicht ein Zeichen von Narzissmus und Egozentrik? Man hält sich für zu wichtig, glaubt, etwas ganz Besonderes zu sein, und greift deshalb bei jeder Kleinigkeit zu Anzeigen. Das ist weder förderlich für das Zusammenleben noch für eine offene Gesellschaft.
Betrachten wir Beleidigungen einmal genauer. Wenn jemand zu uns sagt: „Du bist fett“, gibt es zwei Möglichkeiten. Wenn es nicht stimmt, warum sollten wir uns dann beleidigt fühlen? Wir wissen doch, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Niemand fühlt sich verletzt, wenn jemand behauptet, 2 plus 2 sei 5. Wenn es hingegen stimmt, dann ist es keine Beleidigung, sondern die Feststellung eines Fakts. Vielleicht könnte man es höflicher ausdrücken, aber die Wahrheit bleibt bestehen. Marcus Aurelius sagte: „Wenn dich jemand über deine Fehler belehrt, sei nicht ungehalten; denn was er sagt, ist wahr, oder es ist nicht wahr. Ist es wahr, so verbessere dich; ist es nicht wahr, so lache darüber.“
Eine Beleidigung wird erst dann zu einer Beleidigung, wenn wir sie als solche empfinden. Epiktet empfahl, einen Stein zu beleidigen, um die Sinnlosigkeit solcher Worte zu demonstrieren. Ich habe meinen Kindern eine ähnliche Lektion erteilt. Als sie klein waren und sich über Beleidigungen beschwerten, sagte ich: „Beleidigt doch mal unseren Kaktus im Wohnzimmer.“ Sie schauten mich verwirrt an und antworteten: „Das bringt doch nichts, er reagiert ja nicht.“ Genau darum geht es! Die Macht der Beleidigung liegt nicht in den Worten, sondern in unserer Reaktion darauf.
Im Sport, insbesondere beim Eishockey, gibt es das Phänomen des „Trash Talks“. Spieler versuchen, ihre Gegner mit Worten aus der Fassung zu bringen. Doch nur wer darauf eingeht, verliert den Fokus. Die stoische Philosophie lehrt uns, dass wir Kontrolle über unsere eigenen Reaktionen haben. Alles andere liegt außerhalb unseres Einflussbereichs.
Es ist erstaunlich, wie viel Energie verschwendet wird, weil Menschen sich beleidigt fühlen. Emotionen kochen hoch, der Fokus geht verloren, und am Ende bleibt nur Frustration. Wir haben die Wahl: Lassen wir uns von den Worten anderer beeinflussen, oder behalten wir unsere Gelassenheit?
Und hier kommt der entscheidende Punkt: Wer in der Öffentlichkeit steht, muss Kritik und Spott ertragen können. Dieser neue Trend zur Überempfindlichkeit ist nicht nur peinlich, sondern gefährdet auch die Meinungsfreiheit. Wenn Politiker – und auch wir als Gesellschaft – nicht mit Kritik umgehen können, sollten wir vielleicht überlegen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wer sich ständig beleidigt fühlt, zeigt letztlich nur, dass er sich selbst für den Nabel der Welt hält. Das ist ein Ausdruck von Narzissmus und Egozentrik, der dem gesellschaftlichen Zusammenleben nicht dienlich ist.
Meine Damen und Herren, erinnern wir uns an die Weisheit der Stoiker. Wir entscheiden, wie wir auf die Welt reagieren. Eine Beleidigung hat nur so viel Macht, wie wir ihr geben. Lassen Sie uns souverän bleiben, uns auf das Wesentliche konzentrieren und nicht jede spitze Bemerkung an uns heranlassen. Setzen wir ein Zeichen gegen die Überempfindlichkeit unserer Zeit und für eine Kultur des respektvollen Miteinanders. Denn am Ende des Tages liegt die Macht nicht in den Worten anderer, sondern in unserer eigenen Haltung. Lassen wir Narzissmus und Egozentrik hinter uns und arbeiten wir gemeinsam an einer Gesellschaft, in der wir offen und gelassen miteinander umgehen.
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