Der digitale Euro kommt - aber zu welchem Preis?
- Mathias Müller
- 2. Apr.
- 6 Min. Lesezeit
Kürzlich wurde in den Medien angekündigt, dass der digitale Euro bereits im Oktober 2025 eingeführt werden soll. Diese Nachricht hat erstaunlicherweise keine grossen Wellen geschlagen. Aber was bedeutet die Einführung dieser digitalen Währung der Zentralbank (CBDC)? Ist es ein Fortschritt oder eine Gefahr für die Freiheit der Individuen? Darüber habe ich mit Dr. Kristoffer Mousten Hansen, Ökonom an der Universität Leipzig in der 150. Podcastfolge ausführlich diskutiert. Hier nun die Zusammenfassung und Interpretation dieses Gesprächs
Natürlich gibt es Argumente dafür: Der digitale Euro sei praktisch, sicher und modern. Man könne einfacher bezahlen, und digitales Geld könne – im Gegensatz zu Bargeld – weder gestohlen noch verloren gehen. Angeblich ließen sich kriminelle Machenschaften wie Geldwäsche und Terrorismus besser bekämpfen. Weiter argumentieren Befürworter, dass das Bedürfnis der Bevölkerung nach digitalen Zahlungsmöglichkeiten massiv vorhanden sei – was die breite Nutzung von Visa, Mastercard, American Express, PayPal oder in der Schweiz eben Twint beweise.
Aber hier stellt sich doch schon eine entscheidende Frage: Wenn private Anbieter genau dieses Bedürfnis bereits befriedigen – wieso braucht es dann noch eine staatliche Instanz? Das System funktioniert. Es gibt keinen Mangel an digitalen Zahlungsmöglichkeiten. Also weshalb nun ein staatliches digitales Zahlungsmittel? Dieses Argument ist für mich nicht nachvollziehbar.
Auch das gestiegene Interesse an Kryptowährungen wird oft als Argument herangezogen. Doch hier liegt ein grundlegendes Missverständnis vor: Bei Kryptowährungen – insbesondere dezentralen wie Bitcoin – geht es eben nicht darum, eine weitere digitale Zahlungsform zu schaffen. Es geht um eine Alternative zum staatlich kontrollierten Fiat-Geldsystem. Die Menschen suchen in Bitcoin & Co. keine Ergänzung zum Geld der Zentralbanken, sondern eine Flucht aus der staatlichen Geldmonopolisierung. Wer also mit Kryptowährungen argumentiert, um eine staatliche digitale Währung zu rechtfertigen, verkennt deren wahren Zweck.
Somit bleiben nur zwei Argumente der Befürworter: Erstens: Alles wird einfacher. Man kann praktischer bezahlen. Man muss kein Geld mehr mit sich rumschleppen. Man kann es nicht verlieren. Es kann einem nicht gestohlen werden. Und zweitens: Man kann kriminelle Geldtransaktionen, zum Beispiel des Organisierten Verbrechens und von Terrororganisationen verhindern sowie Steuerhinterziehungen unterbinden. Das klingt alles wunderbar. Aber, ich bin skeptisch. Sehr skeptisch sogar.
Genau deshalb habe ich am 30. März mit Dr. Kristoffer Josef Mousten Hansen, einem dänischen Ökonomen und Experten für Geldpolitik, Zentralbanken und die Geschichte des Geldes einen längeren Podcast zum Thema aufgenommen. Dr. Hansen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig und Fellow des renommierten Mises-Instituts in Alabama, USA. Er vertritt die österreichische Schule der Ökonomie, eine klassisch liberale, libertäre Sichtweise auf Wirtschaft und Gesellschaft.
Hier nun meine persönlichen Gedanken und mein Wrap-Up zu diesem Gespräch. Aus diesem Gespräch und meinen Überlegungen möchte ich vier Punkte hervorheben, über die wir uns unbedingt Gedanken machen müssen. Der digitale Euro öffnet aus meiner Sicht Tür und Tor für:
1. einen absoluten Überwachungsstaat,
2. die finanzielle Entmündigung der Menschen durch programmierbares Geld,
3. Zwang durch Negativzinsen oder sogar Verfallsdatum des Geldes,
4. eine massive und undemokratische politische Machtverschiebung vom Bürger zum Staat.
Lassen Sie uns diese Punkte genauer betrachten.
Der Überwachungsalbtraum
Ein digitaler Euro bedeutet zwangsläufig, dass jede Transaktion von der Zentralbank gespeichert und nachverfolgt werden kann. Dr. Hansen bestätigt das ausdrücklich: „Es muss immer so sein, dass alle Zahlungsströme nachweisbar sind. Das bedeutet, alle Zahlungen müssen zentral bei der EZB gespeichert werden.“ Plötzlich könnte jede noch so harmlose Zahlung verdächtig erscheinen. Denken wir nur an Kanada während der COVID-Proteste. Da wurden Menschen durch den Staat ihre Bankkonten gesperrt. Als die grossen Trucker-Proteste in Ottawa gegen die Covida-Massnahmen stattfanden, wurde Menschen, die der Truckerbewegungen mittels Kreditkarte Geld gespendet hatten, der Zugang zu ihren Bankkonten gesperrt. Ähnliches könnte mit dem digitalen Euro noch viel einfacher und schneller passieren. Ich meine – wer hätte gedacht, dass in einem demokratischen Land wie Kanada die Regierung plötzlich Menschen, die einfach eine andere Meinung haben, den Zugang zu ihrem Geld sperren lässt? Mit dem digitalen Euro wäre unsere Privatsphäre und Anonymität endgültig Geschichte.
Finanzielle Entmündigung durch programmierbares Geld
Das Geld soll programmierbar werden. Das bedeutet: Der Staat könnte entscheiden, wofür wir unser Geld verwenden dürfen. Dr. Hansen hat dies konkret dargestellt: Wenn jemand Sozialhilfe empfängt, könnte argumentiert werden, dass er nur für bestimmte Dinge Geld ausgeben darf. Klingt vernünftig? Vielleicht. Doch was passiert, wenn dieser Gedanke weitergesponnen wird? Etwa mit dem Argument der Klimapolitik: Menschen dürfen nur noch ein Kilo Fleisch pro Monat kaufen. Oder nur eine gewisse Menge Benzin für ihr Auto. Oder wegen der Gesundheit nur noch eine bestimmte Menge Zucker, oder eine beschränkte Anzahl E-Zigaretten. Der digitale Euro würde es dem Staat erlauben, jede Transaktion zu beschränken und zu kontrollieren – stets natürlich „zum Schutz der Gesellschaft“. Mit programmierbarem Geld wird die Möglichkeit der Regulierung und der Verhaltenssteuerung der Menschen durch den Staat auf eine ganz neue Ebene gehoben.
Zwang durch Negativzinsen oder Verfallsdatum
Eine weitere Gefahr ist die Einführung von Negativzinsen oder einem Verfallsdatum auf dem Geld. Ja, Sie haben richtig gelesen. Ein Verfalldatum auf Geld. Dabei handelt es sich keineswegs um ein Hirngespinst, sondern um eine konkrete Umsetzung der keynesianischen Wirtschaftstheorie. Diese geht davon aus, dass Menschen in Krisenzeiten dazu neigen zu sparen – was angeblich die Wirtschaft bremst. John Maynard Keynes ging davon aus, dass in wirtschaftlichen Krisen das Sparen ein Problem sei. Wenn Menschen in schwierigen Zeiten weniger konsumieren und ihr Geld horten, gerät die Wirtschaft noch mehr ins Stocken. Also müsse man die Nachfrage künstlich stimulieren – und zwar durch Staatsausgaben oder durch Anreize zum Konsum. Das tut der Staat heute bereits, indem er in Krisenzeiten grosse Projekte finanziert. Doch künftig könnte der Staat auch die Bürger direkt zum Konsum zwingen – zum Beispiel durch Negativzinsen oder ein Verfalldatum auf dem Geld. Wenn das Gehalt, das ich diesen Monat verdient habe, nur bis Monatsende gültig ist, werde ich gezwungen, es sofort auszugeben. Sparen wird unmöglich. Und genau das ist gewollt. Das führt dann in eine Richtung, in der Menschen tatsächlich nichts mehr besitzen. Wir sehen diesen Trend bereits heute: Statt zu sparen, leasen wir Geräte, abonnieren Services, zahlen in Raten. Wenn das Geld aber technisch gezwungen wird, in Bewegung zu bleiben, wird echter Besitz unmöglich.
Die politische Machtverschiebung vom Bürger zum Staat
Mit dem digitalen Euro würde eine massive Machtverschiebung stattfinden – weg vom Individuum, hin zum Staat. Heute entscheiden wir selbst oder gemeinsam mit unserer Bank über unser Geld. Doch bei einer digitalen Währung der Zentralvank wird das Konto direkt bei der Zentralbank geführt. Privatbanken würden irrelevant. Und: Der digitale Euro funktioniert nur, wenn das Bargeld abgeschafft wird. Das hat Dr. Hansen im Interview deutlich gemacht, auch wenn die EZB behauptet, dass sie das Bargeld suf keinen Fall abschaffen wolle. Also, was bleibt? Eine Wallet direkt bei der EZB. Keine Banken mehr, keine Flucht mehr. Kein Ausweichen. Der Staat kontrolliert die Infrastruktur des Geldes – vollständig.
Geld ist nur noch Vertrauenssache
Noch ein Wort zum Gold Dr. Hansen ist auch ein dezidierter Kritiker der Abschaffung des Goldstandards, die in den 1970er-Jahren vollzogen wurde. Früher war Papiergeld ein Anspruch auf physisches Gold – heute ist es nur noch Vertrauen. „Das Geld hat nur einen Wert, weil man glaubt, dass es morgen auch noch jemand annimmt“, so Hansen. Es ist also nicht mehr gedeckt, nicht mehr knapp, sondern beliebig vermehrbar – abhängig vom Willen der Zentralbanken. Der digitale Euro wäre die nächste Stufe dieser Entkopplung von realer Werthaltigkeit und monetärer Macht.
Das Gespräch welches ich mit Dr. Hansen geführt habe, macht deutlich, dass der digitale Euro weit mehr als technischer Fortschritt ist. Vielmehr könnte er Tür und Tor für eine beispiellose finanzielle und politische Kontrolle öffnen. Zwar betont Hansen, dass eine Katastrophe nicht unausweichlich ist – er empfiehlt jedoch klar, sich bewusst zu machen, was auf dem Spiel steht. Eine informierte Gesellschaft sei der beste Schutz gegen schleichende Entmündigung, so Hansen.
Ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen. Aber wir sollten nicht leichtfertig zulassen, dass unsere individuelle Freiheit und unsere Selbstbestimmung schleichend abgeschafft werden. Bleiben wir wachsam. Informieren wir uns. Hinterfragen wir alles kritisch – auch das, was uns als modern, praktisch oder sicher verkauft wird. Lassen wir uns nicht mit scheinbaren Annehmlichkeiten ködern. Unsere Freiheit ist zu kostbar, um sie für vermeintliche Sicherheit oder Bequemlichkeit aufzugeben. Denn ohne Freiheit wird es auch keine wirkliche Innovation mehr geben in Zukunft.
Was denkt Ihr darüber? Sehe ich das zu düster – oder liege ich richtig? Ich bin gespannt auf Eure Gedanken, auf Eure Perspektiven, auf das, was Ihr seht, was ich vielleicht übersehen habe. Denn am Ende geht es genau darum: Dass wir voneinander lernen. Dass wir gemeinsam hinterfragen – nicht nur die Welt da draussen, sondern auch uns selbst. Schreibt mir, diskutiert mit, teilt Eure Meinung. Ich freue mich wirklich auf Euer Feedback.
Wenn Euch dieser Podcast gefällt, dann zeigt es – mit einer Bewertung auf Spotify oder Apple Podcasts. Am liebsten natürlich die Höchstwertung. Und abonniert den Podcast! Und wenn Ihr mich noch ein Stück weiter unterstützen möchtet: Dann spendiert mir doch einen oder mehrere Kaffees über www.buymeacoffee.com/stoicpirate. An all die grossartigen Unterstützerinnen und Unterstützer da draussen: Ein riesiges Dankeschön – Ihr seid der Wind in meinen Segeln.
Comments