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Die Geschichte des "Tag der Arbeit"


Aus aktuellem Anlass thematisiere ich in diesem Essay den Tag der Arbeit. "Der Tag der Arbeit" hat nämlich eine meines Erachtens hochspannende Geschichte.


Dass die politischen Wurzeln des 1. Mai Feiertages in den USA sind, ist vielen Menschen nicht bekannt. Der Ursprung des "Tag der Arbeit" geht nämlich nicht auf irgendwelche russische oder deutsche Marxisten zurück, sondern auf die amerikanische Arbeiterbewegung.


Die Forderung nach einem freien Arbeitstag zu Ehren der Arbeiterschaft wurde in den USA bereits in den 1870er Jahren laut. Als Erfinder des "Tag der Arbeit" gilt Peter J. McGuire, ein amerikanischer Gewerkschaftsführer, der 1881 die United Brotherhood of Carpenters, sozusagen die Zunft der Zimmermänner, gegründet hatte.


Im Jahr 1882 schlug er der "Central Labor Union of New York" vor, eine Feier zu Ehren der amerikanischen Arbeiter zu organisieren. Am 5. September veranstalteten dann rund 10'000 Arbeiter unter der Schirmherrschaft der Knights of Labor, der wohl einflussreichsten Gewerkschaft der damaligen Zeit, eine Parade in New York City.


Das Datum, der 5. September, hatte keine besondere Bedeutung, und McGuire sagte später, es sei gewählt worden, weil es ungefähr in der Mitte zwischen dem fourth of July und Thanksgiving lag.


Bereits im Jahr 1894 wurde der "Tag der Arbeit" dann durch den amerikanischen Präsidenten Grover Cleveland zum offiziellen nationalen Feiertag erklärt. Mit dem Tag soll den Errungenschaften und den Opfern, welche die Arbeiter für die USA erbracht haben, gedenkt und gedankt werden. In Nordamerika ist "Labor Day" seit jeher kein Protest-, sondern vielmehr ein Freudentag.


Aber nicht nur die Idee des "Tag der Arbeit" kommt aus den USA, sondern auch die Wahl des 1. Mai steht in direktem Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Dies obwohl in den USA selber, der "Tag der Arbeit" eben nicht am 1. Mai, sondern am ersten Montag des Monats September begangen wird.


Entscheidend war der 1. Mai 1886. Die Handels- und Arbeitergewerkschaften riefen an diesem Tag zum Auftakt eines mehrtägigen Generalstreiks im ganzen Land auf. Begründet wurde der Streik mit den nach Ansicht der Gewerkschaften schlechten Arbeitsbedingungen und der ungenügenden Bezahlung der Industriearbeiter.


Hauptsächlich ging es den Streikenden aber darum, dass die tägliche Arbeitszeit von zehn auf acht Stunden verkürzt wird. Eine Forderung, die bereits seit den 1860er Jahren, als die Arbeitszeit in den USA von 13 auf 10 Stunden pro Tag verringert wurde, im Raume stand.


Klammerbemerkung: In der Schweiz wurde die Einführung der 40-Stunden-Woche rund 100 Jahre später im Jahr 1976 mit fast 80 % Nein-Stimmen an der Urne verworfen. Heute gilt in der Schweiz die 41-Stunden-Woche als Norm. Das aktuelle Arbeitsgesetz legt die maximale Arbeitszeit in der Schweiz pro Woche je nach Branche bei 45 oder 50 Stunden fest.

Zurück in die USA im Jahre 1886. Dass die Streikaktion auf den 1. Mai gelegt wurde, war kein Zufall. Am 1. Mai, dem sogenannten "Moving Day", liefen damals in den USA traditionell sämtliche Arbeitsverträge aus und es wurden neue geschlossen.


Im ganzen Land sollen 350'000 Arbeiter in 11'000 Betrieben am 1. Mai 1886 dem Streikaufruf gefolgt und die Arbeit niedergelegt haben. Die Stimmung im Land war aber schon seit Frühling angeheizt.


Am 1. März kam es nach einer Kündigung eines Eisenbahn-Vorarbeiters in Texas nämlich zu einem Eisenbahnerstreik in den südlichen Bundesstaaten Arkansas, Illinois, Kansas, Texas und Missouri.


Beim Eisenbahnerstreik, der als "Great Southwest Railroad Strike" in die Geschichte eingegangen ist, kamen zwischen dem 1. März und dem 4. Mai mindestens zehn Menschen gewaltsam ums Leben.


Die zweimonatige Auseinandersetzung zwischen Eisenbahnbesitzern und Arbeitern wirkte sich spürbar negativ auf die Versorgungskette und die Wirtschaft im Land aus.


Eine interessante Tatsache ist, dass schwarze und weisse Eisenbahner nur gerade 21 Jahre nach dem Bürgerkrieg Seite an Seite in den ehemaligen Südstaaten für bessere Arbeitsbedingungen kämpften. Die zahlreichen chinesischen Berufskollegen grenzten sie aber aus, weil diese gemäss der mächtigen Arbeiterbewegung "Knight of Labor" für die tiefen Löhne verantwortlichen waren.


Ab dem 25. April 1886 wurden in Chicago, aber auch in anderen Städten, zahlreiche Versammlungen organisiert, bei welchen die Arbeitsbedingungen kritisiert und vor allem der Achtstundentag eingefordert wurde.


Chicago entwickelte eine ganz besondere Dynamik. Von Tag zu Tag nahmen mehr Leute an diesen Veranstaltungen teil. Auch die Demonstrationszüge wurden immer zahlreicher und grösser. Vermehrt kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstrierenden. Es fielen auch Schüsse, was die Stimmung in der "Windy City" nicht beruhigte.


Am 1. Mai 1886 schlossen sich dann Gewerkschafter, Reformer, Sozialisten, Anarchisten und einfache Arbeiter zusammen, und machten die Stadt zum Zentrum der nationalen Bewegung für den Achtstundentag. Insgesamt legten 35'000 Arbeiter an diesem Tag in Chicago ihre Arbeit nieder.


An den Folgetagen zog die Menschenmenge von Fabrik zu Fabrik um die noch arbeitenden Kollegen zur Teilnahme am Streik zu motivieren. Tausende folgten dem Aufruf. Die Forderung nach acht Stunden Arbeit für zehn Stunden Lohn war nun in aller Munde. Die Zusammenstösse mit der Polizei nahmen zu.


In der Mähmaschinenfabrik McCormick schoss die Polizei am 3. Mai auf die Streikenden, mindestens zwei Personen wurden getötet.


Anarchisten riefen nun zu einer Protestversammlung auf dem Haymarket in der West Randolph Street auf. Es kursierten auch Flugblätter auf welchen "Rache" für die getöteten Arbeiter gefordert wurde.


Die Menge, die sich am Abend des 4. Mai auf dem Haymarket versammelte, war aber überraschend friedlich, und Bürgermeister Carter H. Harrison, der selber an der Versammlung teilnahm, wies die Polizei an, die Veranstaltung nicht zu stören.


Die Versammlung war bereits dabei sich aufzulösen, als ein Redner Worte wählte, welche die Staatsmacht als zu aufrührerisch beurteilte. 176 Polizeibeamte marschieren nun los und versuchen die Menschen zu vertreiben. Plötzlich wirft jemand eine Bombe gegen die Polizisten. Einer von ihnen wird durch das Attentat sofort getötet.

Chaos bricht aus. Die Polizisten schiessen wild um sich. Eine unbestimmte Zahl von demonstrierende Menschen wird getötet und verletzt. Die Polizei hat acht Tote und sechzig Verletzte zu beklagen.


Das Haymarket-Attentat schien die schlimmsten Befürchtungen von Unternehmern und anderen Personen, die über die wachsende Arbeiterbewegung und deren Ideen in Sorge waren, in ihren Befürchtungen zu bestätigen.


Bürgermeister Harrison verbot sofort Versammlungen und Demonstrationen. Die Presse wurde zensiert, jene, die der Arbeiterschaft sympathisch gesinnt war, gar am Druck gehindert.


Schnell wurde von allen Seiten nach einem Sündenbock gesucht. Dieser wurde in den Anarchisten gefunden.


Für den damaligen Mainstream waren die Theorien der Anarchisten wenig nachvollziehbar, die sozialistischen Teile der Arbeiterbewegung hatten auch keine Freude an den Anarchisten, weil diese im Gegensatz zu den Sozialisten staatliche Herrschaftsstrukturen, also den Staatssozialismus ablehnten.


Die Zeitungen Chicagos veröffentlichten nun nicht belegbare Theorien über angebliche anarchistische Verschwörungen.


Im Volk und den Medien wurde der Ruf nach Vergeltung gegen die Anarchisten laut. Vor allem im Ausland geborene Menschen wurden verdächtigt Anarchisten zu sein. Gegen sie richteten sich der Staats- und Volkszorn und die zunehmende Hetze.


Plötzlich hatte der Fokus sich verändert. Die Forderung nach der Achtstundenwoche war nun der Jagd auf vermeintliche Anarchisten gewichen. Die Polizei verhaftete in der Folge Hunderte von Menschen, von denen man vermutete, sie könnten Sympathien mit der anarchistischen Philosophie haben.

Der wahre Täter und seine ideologische Gesinnung sind aber bis heute unbekannt.


Innert Kürze wurden acht Anarchisten, darunter prominente Redner und Schriftsteller, wegen Mordes vor Gericht gestellt.


Der parteiische Richter Joseph E. Gary leitete den Prozess. Eigentlich war es nichts anderes als ein Schauprozess. Später gaben alle 12 Geschworenen zu, dass sie gegenüber den Angeklagten voreingenommen waren.


Da es keinen einzigen Beweis dafür gab, dass die Angeklagten die Bombenwerfer waren oder sonst irgendwie mit dem Attentat in Verbindung standen, konzentrierte sich die Staatsanwaltschaft auf ihre Schriften und Reden.


Die Angeklagten wurden schlussendlich lediglich wegen ihrer Gesinnung bestraft. Sieben von ihnen wurden zum Tode verurteilt. Der Prozess gilt heute als einer der schlimmsten Justizirrtümer in der amerikanischen Geschichte.


Viele Amerikaner waren über die Urteile empört, doch die Rechtsmittel blieben erfolglos. Zwei Todesurteile wurden umgewandelt, doch am 11. November 1887 wurden vier Angeklagte im Gefängnis von Cook County gehängt; einer der Verurteilten beging Selbstmord.


Hunderttausende nahmen am Trauerzug für die fünf vom Staat ermordeten unschuldigen Anarchisten teil.


1893 begnadigte der in Deutschland geborene Gouverneur von Illinois John Peter Altgeld die drei inhaftierten Anarchisten mit der Begründung, dass sie ohne Beweise zu Unrecht verurteilt worden waren.


Nach dem Haymarket-Massaker von 1886 wurde der 1. Mai in den USA zum Kampftag für den Achtstundentag.


Die Anarchisten konnten sich seit damals nie mehr von ihrem Ruf bombenwerfende Nihilisten zu sein erholen, obwohl bis heute nicht belegt ist, ob wirklich ein Anarchist für das Attentat verantwortlich war oder nicht.


Drei Jahre später, zum 100. Jahrestag des Sturms auf die Bastille trafen sich am 14. Juli 1889 400 Delegierte sozialistischer Parteien und Gewerkschaften aus zahlreichen Ländern zu einem internationalen Kongress in Paris.


Die Versammelten produzierten, wie auf Kongressen auch heute noch üblich, eine Menge Papier, darunter war aber auch eine Resolution des Franzosen Raymond Felix Lavigne, in der stand:


Zunächst war keine Rede von einer Wiederholung oder gar einer Institutionalisierung als Feiertag. Es schien aber wie ein stillschweigendes Übereinkommen, dass die Arbeiterbewegungen der meisten Länder davon gleichwohl ausgingen.


Am 1. Mai 1890 begingen erstmals Millionen Menschen in zahlreichen Ländern den „Weltfeiertag der Arbeit“. Der Tag war aber noch weit davon entfernt ein anerkannter Feiertag zu werden. Wer an diesem Tag zu den Umzügen und Feiern ging, musste einen Tag Urlaub nehmen oder gar auf seinen Tageslohn verzichten.


Es war in Deutschland, wo der 1. Mai erstmals als nationaler Feiertag eingeführt wurde. Im Jahr 1919 erklärte die Nationalversammlung der Weimarer Republik den 1. Mai zum "Tag der Arbeit". Allerdings nur für das laufende Jahr und ohne Anrecht auf Lohnbezug. 14 Jahre später kam es dann anders.


Kurz nach der Machtübernahme Hitlers, erklärten die Nationalsozialisten am 7. April 1933 den 1. Mai zum "Feiertag der nationalen Arbeit". Damit war ein neuer staatlicher, und somit vollbezahlter arbeitsfreier Feiertag geschaffen worden. Noch im gleichen Jahr veranstalteten die Nationalsozialisten in ganz Deutschland am 1. Mai riesige Umzüge, Paraden, Feuerwerke und andere Spektakel.


Just am Tag nach dem "Feiertag der nationalen Arbeit" besetzten die Nationalsozialisten dann aber alle Häuser der freien Gewerkschaften im Land.


Diese unabhängigen Gewerkschaften waren den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Man befürchtete, dass diese die Arbeiter zum Streik aufrufen könnten und so zu einem ernsthaften Problem für die herrschende Nationalsozialistische Arbeiterpartei werden könnten.


Diese Gefahr war meines Erachtens aber doch eher gering: Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund, der ADGB als Dachorganisation der freien Gewerkschaften, hatte sich nämlich schon im Februar 1933 für politisch neutral erklärt, dies obwohl bereits damals Regimegegner auf offener Strasse von der SA verfolgt wurden. Bei den Feiern zum 1. Mai beteiligte sich der ADGB sogar.


Die Zerschlagung der Arbeiterbanken, Gewerkschaftsbüros und Redaktionen von Gewerkschaftszeitungen am 2. Mai 1933 geschah ohne grossen Widerstand. Goebbels vermerkte dazu in seinem Tagebuch: "Das geht ja wie am Schnürchen".


Die ehemaligen Gewerkschaften wurden durch die am 10. Mai 1933 gegründete Deutschen Arbeiterfront (DAF) abgelöst.


Innert Kürze hatten also die Nationalsozialisten die Kontrolle über die Arbeiterbewegung erlangt. Bereits 1934 wurde der Name des 1. Mai Feiertages abgeändert. Statt "Feiertag der nationalen Arbeit" hiess er nun nur noch "Nationaler Feiertag".


In der Schweiz gilt der "Tag der Arbeit" nur in acht Kantonen als offizieller Feiertag: Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Jura, Neuenburg, Schaffhausen, Tessin, Thurgau und Zürich. In den Kantonen Aargau und Solothurn wird oft nur bis zum Mittag gearbeitet.


Gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz fand der Tag der Arbeit auch in der Schweiz erstmals 1890 statt. Ab Mitte der 1890er-Jahre erhielten die Arbeiter in vielen Unternehmungen einen unbezahlten Freitag, um an Veranstaltungen teilzunehmen.


Persönlich ist mir die amerikanische Variante des "Labor Day" am 1. Montag im September bedeutend sympathischer, als der hier abgehaltene "Tag der Arbeit". Meines Erachtens hat er der "Tag der Arbeit" sein ursprüngliches Wesen schon lange verloren. Satt der Arbeiterschaft stehen heute ganz andere Themen im Mittelpunkt. Die den "Tag der Arbeit" begleitenden sinnentleerten Krawalle entsprechen meines Erachtens auch nicht dem ursprünglichen Charakter des "Tag der Arbeit".


Ein Tag, an dem Arbeiter gefeiert und geehrt werden, also ein Freudentag wie er in den USA und Kanada durchgeführt wird, wäre mir lieber. Auch waren die Amerikaner schlauer als sie den Feiertag auf einen Wochentag fixiert, statt an ein festes Datum gebunden haben. Aber so ist es halt mal und der Tag der Arbeit im Jahr 2022 fällt auf einen Sonntag.


In diesem Sinne wünsche ich Euch allen einen erholsamen und schönen "Tag der Arbeit".






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