Master in Empörung: Warum die Eliteinflation eine Gefahr ist
- Mathias Müller
- vor 2 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Wenn ein Masterabschluss nicht reicht – und der Detailhandel „unter der Würde“ ist.
Stell dir vor:
Ein junger Mann sitzt im Zug.Er trägt Apple AirPod Max, ein frisches Paar Adidas-Sneaker, ein MacBook auf dem Schoss. Er erzählt seinem Sitznachbarn, er habe einen Masterabschluss – aber keinen passenden Job.
„Vielleicht muss ich sogar… im Verkauf arbeiten“, sagt er.
Seine Stimme klingt, als hätte man ihm mitgeteilt, er müsse Strafarbeit leisten. Und dann der Satz, der mich aufhorchen liess:
„Das wäre unter meiner Würde.“
Unter. Seiner. Würde.
Und ich frage mich:
Wann genau haben wir angefangen, ehrliche Arbeit zu verachten?
Und was passiert mit einer Gesellschaft, in der sich plötzlich jeder für Elite hält…aber keiner mehr den Boden aufwischen will?
In diesem Text thematisiere ich ein Phänomen, das unsere moderne Gesellschaft zerfrisst, ohne dass wir es richtig bemerken – ein uraltes Muster, das unter dem Namen Eliteüberproduktion bekannt ist. Ein gefährlicher Zyklus, der gesellschaftlichen Frust, ideologische Spaltung und letztlich sogar Revolutionen hervorrufen kann.
Die Welt schuldet dir nichts – und schon gar keinen Elitenstatus
Was mich an dem Gespräch im Zug so nachdenklich machte, war nicht nur der Satz selbst – sondern die Selbstverständlichkeit, mit der er ausgesprochen wurde.
Wir leben in einer Zeit, in der vielen jungen Menschen eingeredet wurde:
„Du bist etwas Besonderes.“
„Mach ein Studium, dann hast du’s geschafft.“
„Führen ist besser als dienen.“
Einige glauben, sie seien zur Elite bestimmt,nur weil man es ihnen oft genug gesagt hat.
Nicht, weil sie Verantwortung übernommen haben. Nicht, weil sie durch Leistung überzeugt hätten. Sondern weil sie ein Diplom haben.
Auch das ist kein Wunder –schliesslich haben viele Eltern und Lehrer genau das gepredigt:„Geh an die Uni – dann bist du wer.“„Ein Studium ist der Schlüssel zu Status und Erfolg.“ Aber so funktioniert die Welt nicht mehr.
Was passiert, wenn alle führen wollen?
Was wir heute erleben, ist kein Einzelfall.Es ist ein wiederkehrendes historisches Muster.
Der Historiker Jack Goldstone hat dieses Phänomen erforscht. Er fand heraus:
„Revolutionen brechen dann aus, wenn zu viele Menschen in die Elite drängen, aber zu wenige Plätze verfügbar sind.“
Das nennt er: Eliteüberproduktion. Es sind nicht die ganz Armen, die Revolutionen starten. Es sind die enttäuschten Aufsteiger. Die „Fast-Eliten“. Menschen, die sich sicher sind, dass sie wichtig sind –aber feststellen, dass die Welt sie nicht braucht.
Was passiert dann?
Sie greifen nicht zur Schaufel – sondern zum Mikrofon. Zur Parole. Zur Empörung. Sie formieren sich ideologisch, sie werden Aktivisten, Kritiker, Chronisch-Unzufriedene. Und in ihrer Welt ist nicht ihre Qualifikation das Problem,sondern die Ungerechtigkeit der Gesellschaft,die ihnen keinen Raum zur Entfaltung bietet.
Ein Kreislauf aus Enttäuschung, Anspruch – und Spaltung
Der Historiker und Systemforscher Peter Turchin beschreibt diesen Mechanismus in seiner Structural Demographic Theory. Er zeigt, wie Gesellschaften in Zyklen verlaufen – von Stabilität über Expansion bis zur Überdehnung und schliesslich zum Zerfall.
Ein entscheidender Warnindikator?
Zu viele gebildete Aufsteiger, zu wenige Führungsrollen.
Was passiert dann? Die Elite beginnt, sich selbst zu bekämpfen. Nicht mit Schwertern – sondern mit Worten. Mit Narrativen. Mit Moralmacht. Mit Spaltung. Und genau das sehen wir gerade in Europa, aber auch in der Schweiz.
Ein Blick in die Geschichte – immer dasselbe Muster
Die Französische Revolution? Begonnen nicht von Bauern, sondern von frustrierten Akademikern wie Robespierre – einem Juristen. Paris war voll von klugen, arbeitslosen Männern mit Ideen – aber ohne Einfluss.
Das Römische Reich? Zerfressen nicht primär durch äussere Feinde, sondern durch Senatoren, die sich gegenseitig um die Macht stritten.
Die Sowjetunion? Kaputt gegangen nicht nur an wirtschaftlichem Mangel – sondern an einem Übermass an Parteikadern, die alle aufsteigen wollten in einem System, das keine Plätze mehr hatte.
Zu viele Häuptlinge, zu wenige Krieger.
Heute ist es weicher – aber nicht weniger gefährlich
Heute zeigt sich diese Dynamik subtiler. Wir haben eine Akademiker-Inflation. Ein Überangebot an Menschen mit Abschlüssen – aber ohne praktische Fähigkeiten. Menschen, die gelernt haben zu analysieren, aber nie zu bauen. Menschen, die jammern statt zu handeln. Wenn sie scheitern, geben sie nicht sich selbst die Schuld –sie klagen das System an. Die Forderung?
Mehr Staat.
Mehr Gerechtigkeit.
Mehr Programme.
Was sie bekommen?
Mehr Bürokratie.
Mehr Verwaltungen.
Mehr Pseudo-Eliten.
Anspruchsdenken – das stille Gift
Im Zentrum all dessen steht ein gefährlicher Gedanke: Anspruchsdenken.
Der Glaube, dass man etwas verdient,nicht weil man leistet, sondern weil man fühlt, studiert hat, „etwas ist“.
„Ich habe einen Abschluss – also soll man mir zuhören.“„Ich bin sensibilisiert – also soll ich führen.“ „Ich habe gelitten – also schuldet mir die Gesellschaft etwas.“
Aber das ist keine Gerechtigkeit. Das ist ein Anspruch ohne Beitrag. Und das führt in den Zerfall.
Wenn niemand mehr arbeiten will – holen wir uns neue Diener
Und jetzt kommt der vielleicht heikelste Punkt: Wenn sich jeder für Elite hält –wer bleibt, um zu arbeiten?
Die Antwort: Einwanderung. Und nein, es geht nicht nur um Mitgefühl. Es geht auch darum, dass die neue moralische Elite jemanden braucht, der putzt, kocht, liefert, baut. Denn wenn die einheimische Bevölkerung das nicht mehr tun will –muss man Diener importieren. Natürlich wird das schön verpackt: Humanität. Integration. Vielfalt. Aber in Wahrheit steckt oft dasselbe alte Spiel dahinter:
Eliten brauchen ein Proletariat, um sich als Elite zu fühlen.
Die Kongressabgeordnete aus Texas und eine der neuen Hoffnungsträger der US-Demokraten, Jasmine Crockett sagte kürzlich öffentlich sinngemäss:
We need illegals to pick our crops and clean our hotel rooms since the educated won't.
Das ist keine Solidarität.Das ist moderne Feudalherrschaft. Mit einem Diversity-Sticker drauf.
Was also tun?
Die Lösung liegt nicht in weiteren Förderprogrammen oder noch mehr Studiengängen.Sondern in einem radikalen Realitätscheck:
Leistung zählt.
Verantwortung zählt.
Wirkung zählt.
Nicht jeder ist zur Elite geboren –und das ist gut so. Wir brauchen nicht nur Manager und Planer. Wir brauchen Handwerker, Landwirte, Pflegende, Soldaten. Menschen, die tragen, bauen, schützen.
Wir müssen jede Arbeit wertschätzen –und aufhören, die intellektuellen Berufe zu glorifizieren.
Ein Wort an die, die führen
Und an jene, die bereits führen: Führt mit Demut. Wertschätzt euer Team. Vergesst nie: Ohne die, die mit euch arbeiten, seid ihr keine Führungskraft, sondern nur jemand mit einem Titel.
Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig zum Nachdenken bringen –vielleicht sogar ein klein wenig inspirieren.
Was meinst du?
Haben wir ein Problem mit Eliteüberproduktion? Oder sehe ich das zu schwarz?
Schreib mir!
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Bis bald. Bleibt stoisch. Bleibt kritisch. Und seid nett zueinander.
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