Stoizismus unter Beschuss: Wie eine Studie der Universität Zürich eine ganze Philosophie verzerrt
Kürzliche wurde eine Studie der Universität Zürich veröffentlicht, die behauptet, Stoiker seien besonders suizidgefährdet. Ist das wahr, oder steckt dahinter schlicht eine völlige Fehlinterpretation oder gar vielleicht sogar bewusste politische Semantik?
In diem Artikel möchte ich ein Thema aufgreifen, das mich wirklich auf die Palme gebracht hat. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Zürich, publiziert in der Fachzeitschrift Heliyon und von vielen Schweizer Medien aufgegriffen, behauptet doch tatsächlich, dass Stoiker am stärksten suizidgefährdet seien. Stoiker! Suizidgefährdet! Als ich das gelesen habe, konnte ich es kaum fassen.
Ist das wahr? Oder steckt dahinter eine völlige Fehlinterpretation oder gar eine bewusste politische Agenda? Genau darüber geht es in diesem Text. Es geht um die Problematik, wenn Studien Begriffe völlig falsch verwenden und welche Auswirkungen das hat. Ein verzerrtes Bild entsteht, und Menschen könnten nun glauben, dass diejenigen, die versuchen, nach der stoischen Philosophie zu leben, besonders anfällig für Selbstmordgedanken seien. Und nicht nur das—die Stoiker wurden komplett falsch und sehr negativ dargestellt.
Stoizismus unter Beschuss: Wie eine Studie eine philosophische Tradition missversteht und politische Voreingenommenheit offenbart
Die besagte Studie untersucht das Suizidrisiko bei Männern und teilt sie in drei Gruppen ein: "Egalitäre", "Player" und "Stoiker". Dabei werden die Stoiker als die am stärksten suizidgefährdete Gruppe dargestellt, während die Egalitären äusserst positiv hervorgehoben werden. Diese Darstellung wirft ernste Fragen auf und verdient eine genaue Betrachtung.**
Stoizismus: Fehlinterpretation einer Philosophie
Die Studie beschreibt Stoiker als Männer, die ihre Gefühle unterdrücken, ungern Hilfe suchen und zu riskantem Verhalten neigen. Sie werden dargestellt als diejenigen, die ihre Emotionen nicht zeigen, sich weigern, Unterstützung anzunehmen und oft unüberlegte, gefährliche Entscheidungen treffen—mit einem höheren Risiko für Selbstmord.
Dieses Bild ist nicht nur falsch, es ist eine grobe Verzerrung dessen, wofür der Stoizismus wirklich steht.
Der Stoizismus, geprägt von Denkern wie Seneca, Epiktet und Marcus Aurelius, lehrt nicht die Unterdrückung von Gefühlen, sondern deren Verständnis und bewussten Umgang. Stoiker streben danach, ihre Emotionen zu erkennen, konstruktiv zu steuern und zu kontrollieren, um innere Ruhe und Gelassenheit zu erreichen.
Das steht im krassen Gegensatz zum heutigen Trend, bei dem viele Menschen ihre Gefühle öffentlich zur Schau stellen und ihre Betroffenheit ständig nach außen tragen. In einer Zeit, in der sich jeder schnell getriggert fühlt und persönliche Befindlichkeiten ins Zentrum rücken, verweigern sich Stoiker diesem Spiel. Wir halten nichts davon, mit unseren Emotionen hausieren zu gehen, und sehen uns nicht als den Nabel der Welt.
Es ist auch wichtig zu betonen, dass der Stoizismus keine politische Ideologie ist. Stoiker können sowohl progressiv als auch konservativ sein; die Philosophie richtet sich an alle Menschen, unabhängig von ihrer politischen Einstellung. Sie bietet Werkzeuge für ein erfülltes Leben, basierend auf Tugenden wie Weisheit, Mut, Gerechtigkeit und Mässigung. Diese Tugenden sprechen Menschen (fast) aller politischen Richtungen an.
Lassen Sie mich die drei schwerwiegendsten Fehlbehauptung der Studie erläutern:
1. Stoizismus ist nicht das Unterdrücken von Gefühlen.
Stoische Philosophie betont das Verständnis und die Akzeptanz von Emotionen, nicht deren Unterdrückung. Wie Marcus Aurelius sagte: "Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab." Wir Stoiker lernen, unsere Emotionen zu erkennen und konstruktiv damit umzugehen, um ein tugendhaftes Leben zu führen. Die Vorstellung, dass Stoiker emotionale Krüppel sind, ist schlichtweg falsch.
2. Selbstständigkeit bedeutet nicht, keine Hilfe anzunehmen.
Das stoische Ideal der Selbstständigkeit dreht sich um innere Stärke und die Fähigkeit, aus eigener Kraft zu handeln. Aber wir wissen auch, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Seneca schrieb: "Ein Mensch ist ein Teil der Gemeinschaft; und was der Gemeinschaft nützt, das nützt auch ihm." Echtes stoisches Denken erkennt die Bedeutung von Gemeinschaft und gegenseitiger Unterstützung an. Die Behauptung, Stoiker würden sich isolieren und keine Hilfe annehmen, ist eine Fehlinterpretation.
Stoizismus fördert kein riskantes Verhalten.
Im Gegenteil, Stoizismus legt Wert auf Vernunft und Besonnenheit. Wir wägen unsere Entscheidungen sorgfältig ab und vermeiden unnötige Risiken. Die Idee, dass Stoiker zu rücksichtslosen Handlungen neigen, zeigt ein mangelndes Verständnis der Philosophie.
Indem die Studie Stoizismus mit schädlichen männlichen Stereotypen vermischt, verzerrt sie eine wertvolle philosophische Tradition und verbreitet gefährliche Missverständnisse.
Es ist ironisch, dass moderne therapeutische Ansätze wie die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT), die stark von stoischen Prinzipien inspiriert sind, nachweislich bei der Behandlung von Depressionen und suizidalen Gedanken wirksam sind. Dass eine Philosophie, die zur Bekämpfung von Depressionen beiträgt, in der Studie als suizidgefährdend dargestellt wird, ist paradox.
Politische Voreingenommenheit: Eine subtile Botschaft
Die Kategorisierung der Männer in "Egalitäre", "Player" und "Stoiker" wirft weitere Fragen auf. Der Begriff "Egalitär" stammt aus dem politischen Diskurs und ist eng mit Ideologien verbunden, die Gleichheit und Umverteilung betonen. Indem die Studie die Egalitären als die positivste Gruppe darstellt, vermittelt sie eine subtile politische Botschaft und suggeriert, dass eine bestimmte politische Haltung moralisch überlegen ist.
Die "Player" werden knapp als Männer beschrieben, die sich durch promiskuitives Verhalten und traditionelle Geschlechterrollen auszeichnen. Diese vereinfachte Darstellung reduziert komplexe Verhaltensweisen auf Stereotype und trägt wenig zu einem tieferen Verständnis bei.
Es entsteht der Eindruck, dass die Studie nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln will, sondern auch eine politische Agenda verfolgt. Eine solche Voreingenommenheit untergräbt die Objektivität der Forschung und lässt Zweifel an ihren Motiven aufkommen.
Die Attraktivität des Stoizismus für junge Männer
Bemerkenswert ist, dass der Stoizismus in den letzten Jahren besonders bei jungen Männern an Popularität gewonnen hat. In einer Zeit, in der Männlichkeit oft kritisch betrachtet oder gar als problematisch dargestellt wird, suchen viele Männer nach Orientierung und Sinn.
Statt sich von ständigem "Männer-Bashing" entmutigen zu lassen, finden sie im Stoizismus Werte und Prinzipien, die ihnen helfen, innere Stärke zu entwickeln und mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen. Vielleicht erklärt genau das die Abneigung mancher Kreise gegen den Stoizismus. Anstatt Männer zu kritisieren, bietet die Philosophie ihnen konstruktive Wege zur Selbstverbesserung.
Während auch Frauen im Stoizismus viel Erfüllung finden, scheint es für Männer in der heutigen Gesellschaft besonders dringend zu sein, eine Quelle der Orientierung und Sinnstiftung zu haben—etwas, das ihnen oft abgesprochen wird.
Wenn Wissenschaft zur Politik wird
Die Vermischung von wissenschaftlicher Forschung und politischen Botschaften ist ein gefährlicher Trend. Wissenschaft sollte objektiv sein und darf nicht von ideologischen Überzeugungen beeinflusst werden. Wenn Studien dazu genutzt werden, um versteckte Agenden zu verfolgen, wird das Vertrauen in die Forschung untergraben.
Die Fehlinterpretation des Stoizismus und die offensichtliche politische Voreingenommenheit in dieser Studie sind Beispiele dafür, wie Voreingenommenheit wissenschaftliche Arbeit kompromittieren kann. Sie führen zu Missverständnissen und schaden letztlich mehr, als dass sie nützen.
Es ist ein ernstes Problem unserer Zeit: Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse werden mit Politik vermischt, und überall versucht man, eine politische Agenda einzubauen. Damit sollten wir vorsichtig sein.
Fazit
Es ist unbestritten, dass Männer oft Schwierigkeiten haben, über Gefühle zu sprechen und Hilfe zu suchen, und dass sie ein höheres Suizidrisiko haben als Frauen. Diese Themen verdienen ernsthafte und unvoreingenommene Untersuchungen. Doch gute Absichten rechtfertigen kein politisches Framing, das die Objektivität gefährdet.
Stoizismus ist keine gefährliche Philosophie. Im Gegenteil, er bietet uns allen—unabhängig von politischer Ausrichtung—Werkzeuge, um ein erfülltes Leben zu führen, Herausforderungen zu meistern und inneren Frieden zu finden. Wie Epiktet sagte: "Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir über die Dinge haben."
Ein letzter Gedanke
Die Ideologisierung wissenschaftlicher Forschung ist besorgniserregend. Lassen wir nicht zu, dass politische Agenden wertvolle philosophische Traditionen diskreditieren. Stattdessen sollten wir die ursprünglichen Quellen studieren, kritisch denken und die Werkzeuge nutzen, die uns helfen, ein besseres Leben zu führen.
Ich rufe euch alle auf, kritisch zu bleiben und nicht alles für bare Münze zu nehmen, was ihr lest oder hört. Hinterfragt die Quellen, denkt selbst nach und lasst euch nicht von politischer Voreingenommenheit beeinflussen. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass Wahrheit und Integrität in Wissenschaft und Philosophie gewahrt bleiben.
Wenn ihr euch für Stoizismus interessiert, ermutige ich euch, die Originaltexte zu lesen und euch selbst ein Bild zu machen. Stoizismus kann ein mächtiges Werkzeug sein, um ein erfüllteres und gelasseneres Leben zu führen.
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